Nachdem am 25. April die fünfte Ausgabe der Recherchezeitung „Fight Back“ erschien, in der es erstmals auch einen Übersichtsartikel zu Charlottenburg-Wilmersdorf gab, gibt es nun direkt Neuigkeiten aus dem Bezirk.
Wie die Berliner Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, vielen am 8. Mai rund 30 Neonazis am Litzensee durch lautes gejohle und Rufen rechtsradikaler Parolen auf. Erfreulicher Weise reagier(t)en benachbarte Anwohner_innen sofort und wollen auch weiterhin Neonazis nicht den Litzenseepark überlassen.
Bereits in den letzten Jahren kam es Rund um den Litzensee immer wieder zu Funden von neonazistischer Propaganda in Form von Plakaten und Aufklebern.
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Hier der Artikel:
Bürger in Berlin-Charlottenburg schlagen Alarm. Sie befürchten, dass der Lietzenseepark zum Nazi-Idyll herunterkommen könnte. Aus Sicht der Polizei passiert dort aber nichts Besonderes.
Am Lietzensee in Charlottenburg scheint die Welt noch in Ordnung. Die Sonne strahlt, Mütter schieben Kinderwagen, Väter und Söhne spielen Fußball, Jogger joggen. Die Gruppe von etwa 60 Anwohnern fällt in dem Getümmel nicht wirklich auf. Die Leute, die sich am Sonntag auf der Wiese getroffen haben, sind hier, weil das Idyll offenbar täuscht. In der Nacht zum Himmelfahrtstag hatten Anwohner gehört, wie dort Neonazis volksverhetzende Parolen grölten.
Die Bürger auf der Wiese sind jung und mittleren Alters, auch Rentner sind dabei. Sie alle eint die Sorge, dass der Lietzenseepark zum Nazi-Idyll herunterkommen könnte. Diana D. – ihren vollen Namen möchte sie nicht nennen, weil sie Angst hat, „auf eine schwarze Liste“ zu kommen – hat am Mittwochabend 20 bis 30 junge Leute auf der Wiese im Park gesehen und gehört, wie diese laute Nazi-Musik abgespielt hätten. Sie brüllten „Sieg Heil“ „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“ und „Tod den Ausländern“, sagt sie.
„Da war nichts misszuverstehen“Die 55-Jährige erzählt, dass sie gegen 23.30 Uhr bei der Polizei angerufen habe. „Nichts passierte.“ Nach einer Weile habe sie noch einmal angerufen. Zwischen 0.15 und 0.30 Uhr seien dann zwei Polizisten gekommen. „Sie sprachen mit den Leuten und gingen. Dann ging es wieder los.“ Nach dem zweiten Notruf hätten sich die Polizisten gegen 1.30 Uhr am Parkeingang postiert und gewartet. „Währenddessen tönten die Naziparolen weiter. Da war nichts misszuverstehen“, sagt Diana D. „Dann sind die Beamten runter gegangen. Die Neonazis reagierten sehr aggressiv auf die Polizisten, die auch mit Hunden kamen.“ Später hätten sich die Nazis oberhalb des Parks selbstbewusst bis drei Uhr morgens ausgetobt.
Beunruhigend findet Diana D., dass sich in der Nachbarschaft nichts geregt habe. Deshalb hängte sie am Sonnabend im Park Zettel auf und lud zum Nachbarschaftstreffen ein: Sonntag, 12 Uhr, auf der Wiese. Es sind dann eine ganze Menge Leute erschienen – mehr als Diana D. erwartet hat. Sie diskutieren, was zu tun sei. An den Polizeiabschnitt wolle man sich wenden und an Politiker. „Eine Telefonkette“, schlägt jemand vor. Man tauscht Nummern aus. So könne man beim nächsten Vorfall mit Nazis das weitere Vorgehen abstimmen. Zum Beispiel zahlreich bei der Polizei anrufen. „Wenn die Anrufe von mehren Leuten kommen, reagiert die wenigstens“, sagt eine Frau.
Im Ergebnis der Versammlung entschließt sich Diana D. dazu, mit einem anderen Anwohner, der die Parolen auch wahrnahm, am Nachmittag Anzeige zu erstatten. Die Polizei ermittelt seitdem wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“.
„Alles ruhig“Bis dahin war aus Sicht der Polizei nichts Besonderes passiert. Laut Pressesprecher Martin Dams kamen die Beamten auch nicht zu spät. Im Notrufprotokoll stehe, dass um 23.13 Uhr zwei Personen beim Notruf 110 angerufen hätten. Auch von einem Handy kam zu dieser Zeit ein Notruf. 15 Minuten später seien zwei Funkwagen eingetroffen – ohne Blaulicht, weil keine Eilbedürftigkeit vorgelegen habe. „Die Beamten haben zwei Personengruppen überprüft, konnten aber nichts feststellen“, sagt der Sprecher. Sie hätten sich dann ins Auto gesetzt und seien aber noch da geblieben.
Um 23.45 Uhr seien die Beamten weitergefahren. Um 0.25 Uhr gab es laut Dams wieder einen Notruf wegen Lärms durch mehrere Jugendliche. Wieder sei die Polizei hingefahren und habe rund zehn Personen angetroffen. „Beim Eintreffen der Polizei war es jedoch ruhig“, so Dams. Die Beamten, die dieses Mal von einer Hundestreife begleitet wurden, drohten den Jugendlichen mit Platzverweisen, wenn es nochmal zu einem Einsatz kommen würde.
Aus Sicht der Polizei war also alles in bester Ordnung.