ReachOut, die Berliner Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, verzeichnet 139 Angriffe für das Jahr 2012. Rassismus steht als Tatmotiv weiterhin im Vordergrund. Trotz leicht gesunkener Angriffszahlen wurden 2012 mehr Menschen verletzt und massiv bedroht als 2011.
Berlin, 1. März 2013
Insgesamt erfasst ReachOut 139 Angriffe für das Jahr 2012 (2011: 158). Dabei wurden 234 (2011: 229) Menschen verletzt, gejagt und massiv bedroht. Rassismus war das häufigste Tatmotiv (2012: 68, 2011:70).
Einige Beispiele:
Am 3. März 2012 wird ein Mann im Bus der Linie 171 in Neukölln von einem anderen Fahrgast rassistisch beleidigt und auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen. Als die Polizei kommt, wird der Geschädigte von einem der Polizisten als Täter behandelt, obwohl er sichtbare Verletzungen im Gesicht hat.
Am 30. März 2012 werden zwei Mitarbeiter der interkulturellen Einrichtung „Haus Babylon“ in der Klausdorfer Straße in Hellersdorf am Abend, nachdem alle Gäste gegangen sind, von zwei Männern rassistisch beleidigt und verletzt. Die Polizei nimmt die Täter fest. Obwohl die Täter einschlägig bekannt sind, erfahren die Opfer bis heute nichts über den Stand des Verfahrens.
Am 14. August 2012 wird gegen 17.00 Uhr auf den Balkon eines Wohnhauses in Weißensee, in dem vorwiegend Flüchtlingsfamilien wohnen, ein brennender Gegenstand geworfen, durch den dort zum Trocknen aufgestellte Wäsche in Brand gesetzt wird. Eine Zeugin sieht das Feuer und warnt den Bewohner, der das Feuer löschen kann, bevor die Feuerwehr eintrifft. Die Polizei erscheint, nimmt aber keinen Kontakt zu der Familie auf. Bis heute erfolgte keine Vernehmung der Betroffenen.
Sabine Seyb, Mitarbeiterin von ReachOut, weist dabei auf Folgendes hin: „Wir haben gehofft, dass die Skandale um die Aufdeckung der Morde durch den NSU zumindest zu einem sensibleren Umgang der Ermittlungsbehörden mit den Opfern rassistischer Gewalt führen. Aber das Verhalten der Polizei ist nach wie vor zu kritisieren. Die Betroffenen beklagen, dass sie häufig von der Polizei respektlos behandelt und nicht ernst genommen werden. Sie werden auch nicht über den Stand des Ermittlungsverfahrens informiert. Opfer rassistisch motivierter Gewalt berichten uns in der Beratung, dass sie oft zuerst nach Ausweispapieren gefragt oder sogar wie Täter_innen behandelt werden, obwohl ihre Verletzungen nicht zu übersehen sind.“
In den Westberliner Stadtteilen wurden 76 (2011: 80) im Osten der Stadt 63 (2011: 78) Gewalttaten verübt. In Neukölln fanden 22 (2011: 15) und somit stadtweit die meisten Angriffe statt.
Der größte Teil der Angriffe fand in aller Öffentlichkeit statt: 69 Gewalttaten (2011: 77) wurden auf Sraßen, Plätzen und an Haltestellen und 34 (2011: 40) in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen verübt.
2012 wurden mehrere Anschläge auf Wohnhäuser von Personen verübt, die für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus bekannt sind oder die die Annahme von NPD Wahlkampfmaterial verweigert hatten.
Ein Beispiel: Am 9. Oktober 2012 wird in der Nacht zwischen 2 und 3 Uhr ein privates Wohnhaus in Neukölln zum wiederholten Male angegriffen. Nachdem die Fenster inzwischen vergittert sind, wurde die Scheibe an der Haustür eingeworfen. In dem Wohnhaus befinden sich Personen. Die Scheiben wurden bereits im November 2011 und im Juli 2012 eingeworfen, weil Bewohner_innen sich geweigert hatten, dass NPD-Wahlwerbung in ihren Briefkasten gesteckt wird. Im Juni 2012 wurde der Briefkasten gesprengt.
Weitere Einzelheiten zu den Angriffszahlen entnehmen Sie bitte der beigefügten Tabelle “Rechte, rassistische und antisemitische Angriffe in Berlin 2008-2012“.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.